Brief Arnold Schönbergs an den Schubertbund, 15. Juni 1920

Bei einer Auktion von Autographen konnte für das Archiv vor kurzem ein Brief Arnold Schönbergs an den Schubertbund vom 15. Juni 1920 erworben werden.

Das Schreiben an die Sänger des Wiener Schubertbundes bezieht sich auf zwei von Schönberg selbst im Rahmen der »Meisteraufführungen Wiener Musik« geleiteten Aufführungen seiner monumentalen Kantate »Gurre-Lieder« an der Wiener Staatsoper – die erste österreichische Wiedergabe des Werkes nach dem Ersten Weltkrieg. Die Aufführungen am 12. Juni und 13. Juni 1920 fanden auf Veranlassung der von David Josef Bach verantworteten Sozialdemokratischen Kunststelle statt. Es handelte sich mit rund 800 Mitwirkenden um eine der meist beachteten und aufwändigsten Kulturveranstaltung des »Roten Wien« Anfang der 1920er Jahre.

Die »Gurre-Lieder« wurden von den Wiener Philharmonikern gespielt, das Vokalensemble bestand aus Solisten des Ensembles der Staatsoper; der Staatsopernchor wurde durch den Schubertbund, den Sängerbund »Dreizehnlinden« und den Philharmonischen Chor verstärkt.

Meine sehr geehrten Herren, lassen Sie mich Ihnen vielmals danken für Ihre Mitwirkung bei den beiden Aufführungen meiner Gurrelieder am 12. u 13. Juni in der Staats Oper, und Ihnen sagen, dass Ihre Leistung in jeder Hinsicht bewunderungswürdig war.

In der kurzen Zeit, wie hier zur Verfügung stand, ei[n] so schwieriges Werk herauszubringen, ist ein Meisterstück, das sich nur zutrauen darf, wer seiner Fähigkeiten so sicher ist, wie der Schubertbund. Mir haben Sie eine überaus große Freude gemacht.

Nicht nur durch den herrlichen Klang Ihrer Stimmen, die Musikalität jedes einzelnen und die Pflichttreue aller, sondern – und ich muss das besonders hervorheben – durch die Liebenswürdigkeit mit der alles vor sich ging.

Ich habe mich sehr wohl dabei gefühlt, wie lange nicht und bin Ihnen somit nicht nur für Ihre hervorragende künstlerische Leistung dankbar, sondern auch für Menschliches!

Und so bitte ich Sie, nun meinen tiefgefühlten Dank entgegenzunehmen und die Zusicherung, dass zu allen Lobrednern des Schubertbundes nun als einer [der] eifrigsten ich gehören werde.

Ich bin in vorzüglicher Hochachtung und Ergebenheit Ihr Arnold Schönberg

Kritiken der Aufführung(en) an der Wiener Staatsoper:
Wiener Sonn- und Montags-Zeitung (14. Juni 1920) p. 2, p. 3
Arbeiter-Zeitung (15. Juni 1920) p. 6
Neue Freie Presse (16. Juni 1920) p. 1, p. 2, p. 3
Neues Wiener Tagblatt (17. Juni 1920) p. 2, p. 3